Iffezheim
Weihnachten, das neue Jahr und eigentlich auch die letzten Renntage waren eher schnell an Sabi vorbei gezogen. Ehe sie sich versah, kam sich die junge Frau so vor, als habe sie die Zeit gar nicht richtig erleben können. Das konnte aber auch eher Einbildung sein. Manchmal erwischte sie sich selber schon dabei, wie sie darüber nachdachte, wo die letzten Monate und Wochen hin waren.
Zack, da war es auch schon rum.
Und so schien es auch jetzt zu sein, denn einige große Renntermine standen an. Auf der Rennbahn von Dubai fand seit Anfang Januar der Racing Carnival statt und in St. Moritz war es mal wieder Zeit für den White Turf.
Einige Rennen hatte Sabi dieses Jahr schon wieder bestritten, diese waren mehr oder weniger von Erfolg gekrönt gewesen. Wobei eigentlich kein Ritt dabei gewesen war, der Sabi wirklich von den Socken gehauen hätte, auch von ihren Leistungen her eher nicht. Gerade in diesem Moment saß die junge Frau vor ihrem Computer und beatwortete eine Nachricht, die sie von ihrer Freundin Lisa aus England erhalten hatte. Die junge Frau hatte auch in Berlin gelebt, war eine Rennreiterin, genau wie Sabi. Dann war sie aber von den Flachrennen auf einmal, Sabi wusste gar nicht mehr, wie es genau passiert war, in den Hindernisrennsport gewechselt. Vorher hatte eine andere gute Freundin Berlin und den Rennstall verlassen. Sie hatte immer mal Probleme mit dem Rücken gehabt und hatte sich entschieden, da sie mit Sabis Bruder zusammen war, nach Düsseldorf zu ziehen und die beiden sahen sich nur selten. Jetzt wohnte Sabi schon eine ganze Zeit näher an Liza, aber die beiden hatten sich noch immer nicht gesehen und deswegen hatte Sabi eigentlich auch ein schlechtes Gewissen. Aber irgendwie ließ es ihr Job nicht zu. Reisen hier und da. Irgendwas musste man wohl opfern, wenn man erfolgreich reiten wollte. Dennoch nahm sie sich immer wieder mal die Zeit um eine eMail entweder an Lisa oder an Liza zu schicken. So war es auch heute. Lisas Lebenspartner William Pembroke würde am Wochenende einige Rennen für Sabis Mann Romain bestreiten. Der nun mehr und mehr Hindernisrennpferde trainierte und seinen Stall noch auszubauen schien. Sabi beobachtete sein Tun mit einem leisen schmunzeln, denn sie wusste, dass ihr Mann eigentlich schon immer ein hindernirennverrückter Reiter gewesen war. Und er war nun mal ein Franzose. Das lag ihm wohl im Blut. Immer mehr hing Romain über Rennausschreibungen für England. Die Pferde machten mehr Reisen nach England, als nach Frankreich im Moment. Aber Sabi ließ ihren Mann machen. Mit regelrechtem Genuss sah sie dabei zu, wie es ihn wohl von Nennung zu Nennung glücklicher zu machen schien und auch sie selber konnte nicht leugnen, dass es sie freute ihren Mann so zu sehen. So glücklich und zufrieden. Er war wie ausgewechselt und regelrecht ausgeglichen. Für einen Moment hob die junge Frau den Kopf und sah zu Romain hin, der auf dem Sofa saß und seinen Laptop auf den Knien hatte.
„Schatz? Bist du dieses Wochenende in England?“, doch Romain antwortete nicht gleich.
„Schatz?“
Nun drehte er doch langsam den Kopf zu ihr und schien einen Moment überlegen zu müssen.
„Ja… ja bin ich, wieso?“
„Och nichts, ich muss nur gerade meine Handykosten kalkulieren.“, Sabi grinste leicht und strahlte ihrem Mann entgegen. Der nun erneut nachzudenken schien.
„Fährst du in die Schweiz?“
Sabi setzte nun ihrerseits ein nachdenkliches Gesicht auf.
„Erst nach Dubai, dann in die Schweiz, da bleibe ich dann erstmal und dann wieder nach Dubai.“, sie erhob sich von ihrem Platz.
„Wir werden uns wohl mal wieder ein ganze Zeit nicht sehen.“, langsam setzte sie sich neben Romain.
Der junge Mann schmunzelte.
„Wann? Für wen reitest du denn? Also, in St. Moritz und in Dubai? Vielleicht bin ich doch noch am 19ten Februar im Schnee, Kleine?“
Sabi kuschelte sich langsam an Romains Schulter und seufzte dann.
„ich habe noch nichts von den Ritten angenommen, die ich habe, muss ich ehrlich sagen.“ Romain sah auf sie und hob dann seine Schulter an, auf die sich Sabi gelegt hatte.
„Warum nicht? Reite doch. Das wolltest du doch immer?!“
„Ja, aber ich sehe dich ja dann so gut wie nicht.“
Nun schob er sie von sich weg.
„Wir haben uns doch im Winter nun gesehen, das nicht so selten, wie du es jetzt gerade darstellst. Bitte sei jetzt nicht albern. Wenn du da jetzt absagst, dann sieht das nicht gut aus. Freu dich lieber über das Vertrauen, welches die Trainer in dich setzen und sei nicht so dumm und mach dir langsam aber sicher das kaputt, was du aufgebaut hast in den letzten Jahren. So einfach war das nun auch nicht, dass du gleich wieder von unten anfangen könntest und sicher wolltest du das auch nicht.“
Sabi schüttelte nach einem kleinen nachdenken den Kopf. Nein, noch einmal anfangen und sich alles wieder neu erarbeiten, das wollte sie in der Tat nicht.
Sie sah ihrem Mann in die blauen Augen und lächelte dann.
„Na gut, dann werde ich zusagen.“
Als sie wieder an den Rechner trat, musste Sabi kurz schmunzeln, denn sie hatte eine erneute Mail erhalten. Von Alan Morrell, er schrieb ihr und fragte sie ob sie für Trainings mit den Pferden, die er dabei hatte, zur Verfügung stehen würde.
Ein wenig freudig begann sie zu lachen und setzte sich dann vor den Bildschirm und begann in die Tasten zu hauen. Erst den Trainern, denen sie noch eine Antwort schuldig war. Unter diesen war auch ihr eigener Trainer, der sie heute erneut angesprochen hatte, ob er einmal eine Antwort bekommen konnte, was mit dem Rennen am 03ten Februar in Dubai wäre. Jamal hatte sich für das andere Pferd entschieden, das Ramon in dem Rennen laufen hatte. Sabi war nur der neue Fuchshengst geblieben. Diesen hatte sie schon mal im Training geritten, konnte sich aber auf das Pferd gar keinen Reim machen. Dennoch hatte sich Lust das Pferd zu reiten und freute sich schon unheimlich auf den Ritt. Abreise war morgen.
Als sie fertig war, schrieb sie ein paar Zeilen an Alan, dass sie es am am 4ten Februar würde bei ihm sein können um mit ihm das eine oder andere Training zu reiten. Allerdings könne sie nicht fest zu sagen, da sie nicht wüsste ob sie noch einmal zwischendurch aus der Schweiz weg müsste. Aber immerhin würde sie da unten auch ein Pferd erwarten, bis die Stute aber ankam würde es noch einige Zeit dauern, sie hatte ihr Rennen erst am 19ten Februar und auch darauf freute sich Sabi ungemein. Das Listed Race mit Squirrel und dann das Gruppe II – Rennen.
Nach der letzten Mail machte sie den Rechner aus und setzte sich wieder neben Romain, neben ihm blieb sie einen Moment sitzen, dann rutschte sie immer näher zu ihm und begann ihn langsam zu küssen. Vorsichtig stellte Romain seinen Rechner weg und umarmte seine Frau.
„Das werde ich vermissen“, sagte er und gab ihr erneut einen sanften Kuss auf die Lippen. Sabi schmunzelte.
„Deswegen bekommst du ja noch einmal eine Kostprobe, dass du dich noch lange an den Geschmack meiner Lippen erinnern kannst.“
Romain grinste leicht und zog sie sanft von der Couch, bis ins Schlafzimmer.
Dubai
Als Sabi in der Ankunftshalle stand, brauchte sie erst einen Moment um sich an die Umgebung zu gewöhnen. Es ging nicht geschäftiger zu, wie auf anderen Flughäfen, aber dennoch war es irgendwie anders. Ihre Augen suchten die Schilder ab um festzustellen, welche Richtung sie einschlagen musste um zur Gepäckausgabe zu kommen, sie hatte zwar nicht viel mit, aber immerhin genug, als dass sie die Klamotten hatte aufgeben müssen. Wer konnte schon seinen Rennsattel im Handgepäck mitnehmen?
Wie hätte sie das auch machen sollen? Den Sattel auf die Tasche schnallen? Oder ihn sich am besten selber umlegen?
So war es dann doch schon angenehmer.
So lief sie nun durch die langen Gänge des Dubai international. Nach einem längeren Marsch kam endlich das Gepäckband in Sicht und Sabi hoffte, dass sie nicht allzu lange würde auf ihre Sachen warten müssen. Irgendwie hatte sie gerade keine Lust auf warten. Aber sicher würde sich ihr Wunsch nicht erfüllen, wenn sie mit etwas kein Glück hatte, dann waren es Gepäckausgaben. Dabei hatte sie doch inzwischen schon alle durch. Die Variante eine der ersten Leute zu sein beim Check in. Dann hatte sie mal versucht, wie es lief, wenn sie die letzte war. Aber auch da hatte sie einfach kein Glück gehabt. Inzwischen kam sie irgendwann wenn sie sich zu Hause loseisen konnte. Doch dieses Mal schien ihr in der Tat das Glück hold zu sein und ihr kleiner Koffer kam doch recht schnell, wobei sie zugeben musste, dass sie den Leuten, die ihr Gepäck schneller hatten, als sie selber, schon etwas sauer hinterher gesehen hatte. Sie hatte sie regelrecht beneidet auch wenn sie wusste, dass sie nun mal nicht die immer die erste sein konnte. Dennoch, warten war nun einmal doof und stresste sie auch auf eine gewisse Art und Weise.
Eilig nahm sie ihren kleinen Koffer vom Band und stellte ihn neben sich, zog den Griff aus ihm heraus und machte sich, den Schildern folgend, auf den Weg nach draußen. Hier sah sie sich erstmal um. Dann überlegte sie, was ihr Ramon gesagt hatte zu welchem Hotel sie fahren sollte. Schon länger nicht mehr gesprochen, kramte Sabi einige Fetzen Englisch hervor und erklärte dem Fahrer des Taxis, wo sie nun hin wollte. Der schenkte ihr ein Lächeln und startete sein Taxi und fuhr los. Entspannt sah die junge Frau aus dem Fenster des Taxis und blickte nach draußen. Sah sich alles genau an, die Fahrt zum Hotel dauerte nicht lange. Eilig stieg sie aus und bezahlte den Mann, gab etwas Trinkgeld und machte sich auf den Weg hinein, checkte ein und bezog anschließend ihr Zimmer. Doch hier hielt es sie nicht lange. Sie musste sich irgendwie noch bewegen und verließ das Zimmer also wieder und ging in die Hotellaunch. Dort angekommen, ließ sie erneut die Eindrücke auf sich wirken, ehe sie das Hotel verließ und sich auf den Weg zu den Stallungen machte. Ramon hatte ihr genau beschrieben, wie sie dahin kommen würde.
Das war auch gut so, denn Sabi musste zugeben, dass sie den Weg ohne Ramons Erklärung wohl nie gefunden hätte. Aber so kam es ihr, als sie endlich angekommen war, eher einfach vor und sie fragte sie ob sie den Weg wirklich niemals allein gefunden hätte. Nach einem weiteren Moment des Nachdenkens, schob sie den Gedanken wieder von sich weg und betrat den Stall. Stallluft stieß ihr entgegen und ein Lächeln erschien auf Sabis Gesicht. Eilig suchte sie die Boxen ab, bis sie die fand, in denen Ramons Pferde standen. Gleich trat sie an die Box in der Live stand. Der große Hengst hob sogleich den Kopf und prustete durch die Gitterstäbe in Sabis Richtung.
„Na? Dann werden wir mal sehen, wie uns im Rennen ergehen wird, nicht mein Kleiner?“, langsam strich sie dem Fuchs über die Nase. Der prustete sie kurz an und sog dann ihren Geruch in sich auf, ehe er seine Nase wieder in die Streu steckte und durch dieses hindurch schnoberte. Sabi sah ihm schmunzelnd zu, wie er offensichtlich versuchte den Rest seines Mittagessens aus dem Einstreu heraus zu fischen.
„Ach, ist Ihre Majestät auch mal erschienen. Das ist ja toll.“
Langsam drehte sich Sabi zu der ihr vertrauten Stimme um.
„Stell dir vor. Ich sollte erst heute fliegen. Ob du das glaubst oder nicht.“
Der kleine Mann vor ihr zog die Schultern nach oben.
„Wir sind schon die ganze Zeit hier fleißig.“
Sabi musste nun schmunzeln.
„Meinst du ich habe zu Hause ein Picknick gemacht oder wie?“
„Offensichtlich, du kommst ja nur für das Reiten her und dann bist du doch wieder weg. Oder nicht?“
Sabi verdrehte die Augen.
„Du wühlst doch so und so nicht im Pferdedreck, also kann dir das doch egal sein und glaube nicht, dass ich gekommen bin um jetzt für dich im Mist zu buddeln.“
„Nicht? Vielleicht möchtest du dich ja morgen noch etwas tiefer verbuddeln als im Mist?“, Jamal grinste verschmitzt und Sabi trat einen Schritt auf ihn zu. Dabei verzog sie aber keine Miene sondern sah dem jungen Mann vor ihr einfach nur in die Augen.
„Vielleicht… ich meine wenn ich gegen dich reiten muss und da du ja der beste Reiter bist, den ich je in meinem Leben begegnet bin, könnte das passieren. Vielleicht falle ich vom Pferd oder ich blamiere mich dermaßen, dass ich wirklich unter dem Misthaufen verschwinden möchte?!“, Sabi grinste nun und sah Jamal nicht mehr ernst an. Denn nun musste sie lachen.
„Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich sagen, dass du mich auf den Arm nehmen wolltest.“
Sabi schmunzelte erneut.
„Ganz recht, Herr Nushkin. Das wollte ich. Wie sieht es mit füttern aus?“, so ging sie an ihm vorbei und lächelte Jamal gewohnt nett zu. Manchmal mochte sie es schon, ihn ein wenig auf den Arm zu nehmen. Aber auch dieses Mal hoffte sie, dass er sie nicht falsch verstehen würde. Sabi wusste nach wie vor nicht, wie sie Jamal nehmen sollte. Irgendwie hatte sie nie so den Draht zu ihm aufbauen können, wie zu den anderen. Selbst Ramon, der ihr anfangs so fremd vorgekommen war, war für sie persönlich leichter zu nehmen, als Jamal.
Der kam ihr nun in der Stallgasse hinterher.
„Hab ich schon, aber wenn du so versessen auf Stallarbeit und füttern bist, kannst du das gerne morgen früh machen.“
Sabi drehte sich langsam um und lächelte Jamal entgegen. Sie überlegte ob sie ihm nun einen Spruch an den Kopf werfen sollte, von wegen: ja klar, morgen vor dem Rennen stehe ich sicher ganz früh auf, damit du dich ausschlafen kannst.
Doch sie schluckte es einfach herunter.
„Kann ich gern tun.“
So war es also beschlossen und Sabi und Jamal verabschiedeten sich und wünschten sich eine gute Nacht und gerade dachte sie wieder darüber nach, dass sie gegensätzlicher nicht sein konnten. Langsam gähnte Sabi, irgendwie war sie doch müde. Die letzte Nacht war ein wenig zu kurz gewesen und im Flieger hierher hatte sie nicht wirklich Ruhe gefunden. Auch wenn morgen nur ein Rennen anstand, beschloss sie sich gleich ins Bett zu legen und zu versuchen zu schlafen. Bevor sie aber den Stall verließ, schaute sie noch einmal zu dem Fuchshengst in die Box, der nach wie vor in seiner Streu herum schnoberte und versuchte sich den einen oder anderen Halm da heraus zu holen. Sabi schmunzelte.
„Du hast wohl noch immer nicht genug gefressen, was? Hat der böse Jamal dir etwa nicht genug gegeben? Für deine Verhältnisse natürlich nicht, wenn du etwas zu sagen hättest, dann würdest du sicher den ganzen Tag fressen.“
Langsam hob der Fuchs wieder seinen Kopf und schüttelte sich, ganz so als ob er sagen wollte: stimmt doch gar nicht und nun glotz nicht so blöd und lass mich allein.
Dem gedachten Wunsch des Pferdes entsprechend verließ Sabi zusammen mit Jamal den Stall und freute sich nun auf eine heiße Dusche und dann auf ihr Bett.
Sie freute sich gleich alleine auf ihrem Zimmer zu sein und die Ruhe zu genießen. Auch wenn sie zu Anfang gedacht hatte, dass es ihr sicher schwer fallen würde, alleine zu sein, nachdem sie in der letzten Zeit wirklich viel mit Romain zusammen gewesen war, so fiel es ihr nun doch erstaunlich leicht und das freute sie auch irgendwie. Wobei sie auch keinen Grund hatte, Heimweh zu haben. Denn bald ging es nach St. Moritz und das war nun wirklich nicht weit von zu Hause.
Doch zuerst musste sich die junge Frau einen Weg bahnen, einen Weg durch die ganzen Reporter und Schmierenblattschreiber, die in der Hotelhalle standen und offensichtlich mal wieder versuchten den armen Jean Victoire zu einem Gespräch zu nötigen.
Erschrocken ließ sie sich von einer jungen Frau auf die Seite ziehen. Es dauerte einen Moment bis sie sie erkannte. Doch dann lächelte Sabi leicht.
„Sabi?“
„Jessy?!“
„Ich habe doch richtig gesehen. Wenn ich du wäre, dann würde ich da jetzt nicht hingehen…“
Sabi seufzte und sah zu Jessy, die eigentlich Jessica Reuther hieß und die Tochter des Galopptrainers Markus Reuther war, hin.
„Es geht um Victoire, nicht wahr?“
Jessy nickte nur kurz angebunden.
„Leider ja.“
Sabi wusste davon, denn die Klatschblätter und die Internetseiten rund um den Galoppsport waren ja voll mit Nachrichten über den Jockey und über das was er getan haben sollte. Irgendeine Zeitung hatte es inzwischen auch schon geschafft und einen alten Artikel hervor geholt in dem stand, was einem Mann passiert war, der mit Heroin in die VAE eingereist war und dabei hatte es sich um eine ganz geringe Menge gehandelt. Zum Eigenbedarf eben. Dafür hatte man den Mann gleich ins Gefängnis gesteckt.
„Das ist eine schlimme Gesichte.“, sagte Sabi und machte ein trauriges Gesicht.
„Was denkst du darüber?“
Jessy seufzte.
„Also an der ersten Sache kann nichts dran sein, da waren Andreas und Jean zusammen unterwegs. Ich weiß nicht was sie gemacht haben, aber Andreas hat mir versichert, dass da nichts war. Dass er die ganze Zeit mit Jean zusammen war.“
Sabi biss sich auf die Lippe und sah zu einem der Reporter hin.
„Und was machen die hier?“
Jessica seufzte.
„Die warten darauf, dass Jean aus dem Stall kommt. Auch wenn er es nicht nötig hat, hilft er ganz gerne im Stall mit, hab ich gehört, und kümmert sich um die Pferde. Das hat Andreas zumindest erzählt.“
„Ach? Andreas, ja?“, sagte grinste.
Sie wusste genau, dass Jessy schon in Andreas verschossen gewesen war, als sie ihn als noch zur Schule ging und Andreas gerade mit der Ausbildung bei ihrem Vater im Stall begonnen hatte. Aber ob aus den beiden inzwischen mehr geworden war, konnte Sabi nicht sagen. Die junge Frau redete auch jetzt noch viel von dem Topjockey ihres Vaters.
Noch einen Moment überlegte Sabi, dann fasste sie sich ein Herz und sah ihrer Freundin in die Augen.
„Und? Hast du was mit ihm?“
Jessica wandte sich ab und gab sich offensichtlich große Mühe nicht rot zu werden, doch so ganz gelang es ihr nicht.
„Na?“, hakte Sabi nach.
„Ich… ich… na ja, also…“, Jessy druckste einfach nur vor sich hin und kam eigentlich nicht wirklich zu potte. Dann schien sie noch einmal nachzudenken, was sie nun sagen sollte.
„Wir haben uns geküsst, neulich im Stall. Als die anderen schon gegangen waren. Aber ich kann dir nicht sagen, ob das nur mal eben flüchtig war, oder ob es mehr zu bedeuten hatte.“
Sabi hatte den Kopf schief gelegt.
„Mehr nicht?!“, prüfend sah sie Jessy von oben bis unten an
„Okay, du gibst ja sonst doch keine Ruhe, wir haben auch etwas mehr miteinander gehabt, aber mehr als fummeln war da nicht. Und nun hör auf, mich so anzusehen, Sabi. Da war nichts weiter und wie gesagt ich weiß auch nicht ob er mehr für mich empfindet, oder ob das nur mal eben eine schnelle Nummer werden sollte.“
Sabi schmunzelte und sah genau, dass ihre Freundin rot um die Nase geworden war. Wieso war ihr das peinlich? War doch nichts Schlimmes dabei und wenn sie mehr gehabt hätten, als einfach nur fummeln, wieso keinen Spaß haben?
Dann seufzte sie, das sagte sich so leicht. Wenn einer der beiden vielleicht mehr wollte, als der andere zu geben bereit war, war die Situation vielleicht doch etwas mehr verfahren.
Plötzlich ging ein Raunen durch die Menge an Menschen, denn offensichtlich war das Objekt ihrer Begierde nun endlich eingetroffen. Doch Jean und auch Andreas, der dabei war, bahnten sich nur einen Weg durch die Menschen und Victoire sagte immer wieder sowas wie: keinen Kommentar. Die beiden Männer beeilten sich zum Fahrstuhl zu kommen und diesen auch zu betreten, ein schneller Knopfdruck des Stalljockeys von Markus Reuther und die Tür ging vor der Nase der Reporter zu.
Sabi sah erneut zu Jessy, die neben ihr stand und ein bedrücktes Gesicht machte.
„Diese Aasgeier. Die versauen Jean noch seine gesamte Karriere, wenn sie so weiter machen und das nur wegen eines lächerlichen Gerüchtes. Von dem einige genau wissen, dass es nicht stimmt und wiederum andere… nun ja. Sie wissen es wohl auch, aber wollen es glauben. Wer würde nicht gerne einmal die Pferde eines Gawain Bélier reiten?!“
Ihre Augen funkelten als sie Sabi ansah und trotz der heiklen und wirklich nicht schönen Situation musste Sabi nun grinsen. Jessy liebte die Gerechtigkeit und ebenso hasste sie Dinge, die andere behaupten, die aber nicht stimmten/ stimmen konnten und Sabi konnte das auch vollkommen verstehen. Denn auch sie hatte einen guten Sinn für Dinge, die nicht wahr waren. Beziehungsweise hasste sie einfach Gerüchte. Denn das konnte so viel kaputt machen, gerade bei einem Menschen, für den viel auf dem Spiel stand und sie wusste nun mehr denn je, dass sie nicht in der Haut von Jean stecken wollte.
Denn das alles außer Kraft zu setzen, diese ganzen Gerüchte aus der Welt zu schaffen, würde einiges an Kraft kosten und sicher würde das alles auch Auswirkung auf seine Leistungen auf dem Pferd haben, das konnte alles nicht spurlos an ihm vorüber gehen.
Die beiden Mädels standen noch eine ganze Weile zusammen in der Lobby des Hotels herum und unterhielten sich. Bis Sabi feststellte, dass es allmählich wirklich Zeit war, um ins Bett zu gehen. Die beiden verabschiedeten sich, wobei ihnen hier und da nochmal kurz etwas einfiel, was sie einander unbedingt jetzt erzählen mussten. Doch irgendwann schafften sie es in der Tat sich voneinander zu lösen. Schließlich würde man sich auch am nächsten Tag nochmal sehen.
So war die junge Frau froh, endlich auf ihrem Zimmer zu sein und im Bett zu liegen.
Keine Müdigkeit vortäuschen
Der Wecker klingelte, wie Sabi fand einfach viel zu früh am nächsten Morgen. Aber ob sie wollte oder nicht, sie musste aufstehen. Und wenn das schon sein musste, dann wollte sie es auch möglichst schnell hinter sich bringen. So schob sie die Decke über ihre Brust nach unten und zog die Beine unter ihr heraus um sich anschließend langsam ins Bad zu bewegen und eine Dusche zu nehmen. Erst warm, dann drehte sie das Wasser mit Der Zeit immer kälter, bis die kalten, feuchten Perlen schließlich ihren Körper herunter liefen. Kurz stockte ihr der Atem, denn das Wasser war doch ziemlich kalt und irgendwie war das Gefühl abartig, aber sie gewöhnte sich nach einer Weile an das kalte Nass. Noch einen Moment wartete sie unter dem kalten Strahl der Brause und schaltete dann das Wasser ab, so fühlte sie sich angenehm erfrischt und stieg aus der Dusche heraus, putzte sich die Zähne und warf dann einen Blick in den Spiegel. Zufrieden lächelte sie, als ihr Spiegelbild sie aus ein paar munter blitzenden Augen ansah.
Eilig hatte sie sich angezogen und begab sich auf den Weg zu den Stallungen.
Dort angekommen schob sie vorsichtig die Tür zum Stall auf und suchte nach den Boxen der Pferde, sie hatte sich gestern nicht merken können mit welcher Nummer die Stallgasse begonnen hatte. So sah sie auf das erste Pferd, der Braune sah sie müde an und schnaubte dann verächtlich. Offensichtlich hatte Sabi ihn aus seinem Schlaf heraus gerissen.
Momentan standen nur vier Pferde von Ramon hier. Die beiden die heute starten würden und die anderen beiden Starter für die Rennen am neunten März. Wieso beschwerte sich Jamal eigentlich?
Soweit Sabi informiert war, brauchte er auch hier die Pferde nicht zu misten, genau wie zu Hause auch. Er ritt sie wohl nur im Training und wenn Sabi ehrlich war, dann war das sicher keine große Belastung für Jamal. Gut, er konnte abends nicht wer weiß wie lange feiern, aber wenn es keinen Sie zu begießen gab, dann musste man auch keine langen Orgien feiern. Doch heute war Renntag, also kein Training für die Pferde. Schnell, aber leise und vorsichtig huschte die junge Frau durch die Stallgasse und machte sich daran, das Futter für die vier Pferde in vier verschiedene Eimer abzufüllen und jedes von Ihnen genau so das Futter zusammen zu stellen, wie es von Ramon auf einer Liste vermerkt worden war.
Laut dieser Liste würden in den nächsten Tagen noch ein paar Pferde mehr kommen. Unter anderem auch den Namen Let me Sleep. Kurz schmunzelte sie, denn im letzten Jahr hatte sie es geschafft mit dem Hengst hier ein Rennen zu gewinnen. Dabei war sie, wie auch heute der Außenseiter in diesem Rennen gewesen. Doch der Hengst hatte einen unglaublich guten Tag gehabt und wenn Sabi ehrlich war, dann würde sie gerne noch einmal ein Rennen mit diesem Pferd bestreiten. Irgendwie mochte sie ihn. Aber das zu entscheiden, lag nicht ihrer Hand. Das Rennen fand am 16ten Februar statt und sie war sich sicher, dass für diesen Tag schon Jamal verpflichtet war, auch wenn er noch nicht auf der Starterliste als Reiter vermerkt war. Ob sie Ramon fragen sollte?!
Als Sabi das letzte Pulver in einen der Futtereimer gekippt hatte, verschloss sie die Dose, aus der sie das Wundermittelchen heraus genommen hatte und stellte sie wieder an ihren Platz.
Dann erhob sie sich und nahm die Eimer in die Hände. So bepackt, ging sie hinaus auf die Stallgasse, hier herrschte nun schon mehr Treiben, als noch zuvor. Einige weitere Menschen waren nun dabei den Pferden ihr Futter zu geben und hier und da sah man schon den einen oder anderen Pfleger der dabei war, die Seiden zurecht zu legen und das Putzzeug für den Mittag zu sortieren.
Schnell kippte Sabi den Pferden ihr Futter in die Tröge. Der letzte im Bunde war Farwell. Der Hengst bollerte schon gegen die Tür der Box und warf aufgeregt den Kopf in den Nacken, als er Sabi mit dem Eimer kommen sah.
„Du wirst das auch nie sein lassen können, oder Dicker?“, mit diesen Worten gab sie dem Hengst sein Fressen und der hatte auch nichts Besseres zu tun, als seine Nase eilig in dem Trog verschwinden zu lassen. Ab jetzt hörte man nur noch seine Zähne mahlen. Sabi zuckte mit den Schultern und verließ die Pferde wieder, stellte die Eimer hin, wo sie hingehörten und verließ die recht kleine Kammer in Richtung Stallgasse. Als sie auch schon ein vertrautes Lachen hinter sich hörte.
„Na Sabi? Heute darfst du den Stalldienst machen oder wie?“, Jessy stand vor ihr und grinste.
„Da wollte Jamal wohl mal ausschlafen, was?!“, sie kniff freundlich die Augen zusammen. Sabi erwiderte ihr Grinsen.
Wie recht sie doch hatte.
„Soll er, er hat ja die ganze Zeit gearbeitet und da kann ich nun auch mal was machen.“
Jessy legte fragend den Kopf schief.
„So wie ich das sehe, habt ihr heute beide ein Rennen zu reiten, oder nicht? Er wollte sich doch nur ausruhen und was ist mit dir. Du hast immerhin auch noch den Flug hinter dir. Und die Zeitumstellung kommt auch noch dazu.“
„Mach dir mal keine Sorgen. Ich kann schon damit auskommen, mal nicht so viel zu schlafen oder im Tag ein wenig verdreht zu sein. Bei mir wird es heute einfach später dunkel und morgen bin ich dann auch wieder in der europäischen Zeitzone. Alles andere, was dazwischen ist, ist für mich überlebbar.“
Jessy grinste.
„Dennoch solltest du dich auf deinen Ritt konzentrieren.“
Sabi zuckte entschuldigend mit den Schultern.
„Dazu habe ich jetzt auch noch Zeit. Mach dir bitte keine Sorgen, es wird schon alles gut gehen. Darüber hinaus… geht King so und so als Außenseiter in dieses Rennen.“
Jessy zog die Augenbrauen zusammen.
„Und wer sagt dass ein Außenseiter nicht siegen kann?! Euer Trainer hätte ihn wohl nicht genannt, wenn er glauben würde, dass das Pferd so chancenlos wäre. Das hier ist schließlich mehr als ein einfacher Spaß oder ein Rennen, bei dem man einfach mal schaut, wie das Pferd so geht.“
Sabi war etwas beeindruckt und zugleich leicht perplex über das, was die Freundin da sagte. Wobei sie beide die Chance hatten einem Trainer über die Schulter zu schauen, denn immerhin war Romain Sabis Mann und auch Jessicas Vater hatte den Stall voller Rennpferde.
Sicher hatte Jessy recht.
Nur rechnete sich Sabi keine großen Chancen aus, auch wenn es sicherlich schön war, wenn sie es schaffen konnte, bzw. das Pferd es schaffen würde. Es war ein Listenrennen, zwei Pferde von Ramon liefen mit, ebenso hatte Markus Reuther zwei Pferde aufgestellt. Ebenfalls würden zwei Reiter in einem Königsblauen Dress starten. Das bedeutete auch zwei Godolphin – Pferde hingen an den Start. In so einem Feld zu reiten, glich schon irgendwie einer Ehre.
Sabi nickte Jessy zu und verabschiedete sich nun, sie wollte sich noch kurz hinlegen und sich dann schon mal langsam auf das bevorstehende Rennen vorbereiten.
Meydan Racetrack
Die die Stunden so schnell umgegangen waren, konnte die junge Frau auf einmal gar nicht mehr fassen. Denn plötzlich saß sie in der Jockeyumkleide und kam sich doch recht allein vor, denn sie musste feststellen, dass es sonst wohl kein weibliches Wesen gab, was sich zumindest für dieses Rennen nun fertig machen musste. Sabi schluckte einen Klos, denn sie im Hals hatte herunter, denn auf einmal wurde ihr doch etwas bang ums Herz. Was sie aber nicht verstand. Denn immerhin war es nicht ihr erster Start in einem Rennen auf Listed- Ebene. Aber wenn sie nachdachte, dann war es ihr allererster Start auf diesem Niveau, bei einem solchen Event wie dem Racing Carnival in Dubai. Letztes Mal, war es sicherlich auch nicht unbedeutend gewesen ein solches Aufgewichtsrennen geritten zu sein, aber das hier war eine ganz andere Hausnummer. Sabi sah nun über ihre Schulter und blickte auf den seidenen Dress, der neben ihr hing und betrachtete die Farben des Gestütes schwarze Perle.
Ein Blick auf die Uhr, danach nahm sie die Farben vom Kleiderbügel und befestigte als erstes den Kappenüberzug an ihrem Helm, bevor sie sich die Seiden überstreifte, die Ärmel waren etwas zu lang also befestigte sie diese mit einem Gummiband, das sich Sabi ebenfalls über das Handgelenk schob. Nun saß die Seide fest an ihrem Arm und das Rennen konnte eigentlich kommen.
noch ein letzter Blick auf die Uhr, dann war es endlich so weit.
Sie musste sich nun doch etwas beeilen um noch rechtzeitig zur Waage zu kommen. So schnappte sie sich ihren Helm, ihren Sattel und die Peitsche klemmte sie sich unter den Arm. Mit all dem nötigen Zeug bewaffnet kletterte sie schließlich auf die Waage und war froh, dass sie nicht die letzte war, sondern dass Jamal noch ein wenig später kam als sie. Er sah irgendwie abgekämpft und müde aus. Was der wohl die letzte Nacht getrieben hatte? Vielleicht doch feiern gewesen, weil er an diesem Morgen hatte ausschlafen können?
Doch was interessierte es Sabi. Wenn er nun noch ein Rennen reiten konnte, oder meinte es zu können, dann war das doch ausreichend genug. Sie lächelte dem jungen Mann einfach nur zu und zog es vor nichts weiter zu sagen, sondern viel mehr zu genießen und zu schweigen. Langsam ging sie von der Waage herunter und bekam ihre Nummerndecke, es dauerte noch ein Weilchen, dann ging es hinaus. Die Rennbahn von Dubai der Meydan Racetrack war wirklich beeindruckend. Sabi hatte immer wieder Bilder gesehen und auf diesen Bildern wirkten die Gebäude von oben als seien sie ein Palast. So wie man manche Gärten angelegt hatte, die dann auch von oben ein Gebilde oder Muster bildeten, so war es auch hier. Wirklich beeindruckend. Das aber alles in Natura zu sehen, war noch viel schöner, als sie es sich hatte erträumen lassen. Sicher hatte sie letztes Jahr schon an einem Rennen teilgenommen und hatte die Eindrücke in sich aufgesogen. Aber irgendwie war jetzt alles noch ganz anders oder es wirkte zumindest noch erhabener auf sie als im letzten Jahr. Vielleicht lag das auch daran, dass sie im letzten Jahr noch mehr Schiss gehabt hatte, als in diesem. Was konnte es für einen Reiter schöneres geben, als hier zu reiten und sie dankte Ramon wirklich für diese Chance, die er ihr dieses Jahr in diesem Liste – Rennen gab und sie wollte ihr bestes geben und versuchen Ramons Vertrauen nicht zu enttäuschen. Endlich riss sie sich selber aus ihren Gedanken und ging mit den anderen kleinen Menschen nach draußen, Sabi versuchte nicht den Eindruck zu erwecken, als sei sie ein kleines, scheues Reh, das das aller erste Mal in einem neuen Wald stand und nicht wusste, wie es sich verhalten sollte. Immer wieder ging sie die Anweisungen Ramons durch, die wie wild durch ihren Kopf sprangen und für einen Moment waren es nur noch Worte, die einfach keinen Zusammenhang bilden wollten. So atmete die junge Frau ganz ruhig ein und wieder aus um sich erstmal selber zu beruhigen und wieder klar im Kopf zu werden. Was machte ihr eigentlich Angst?
Es war ein Rennen auf Gras, wie jedes andere auch. Es konnte klappen, es konnte aber genauso schief gehen, wie jedes andere auch und wenn sie ihre ganzen Gedanken nun zusammen nahm, dann würde es schon irgendwie gehen. Ob es allerdings für einen Sieg reichen würde, wusste Sabi nicht und konnte das auch nicht einschätzen, immerhin hatte sie ein sehr gutes Starterfeld gegen sich. Eine junge Frau hatte den Fuchs an der Hand, der schon fleißig seine Runden im Führring drehte und ab und an mal einen kleinen Hopser machte. Sabi nahm ihre Peitsche fester in die Hand und wartete etwas ungeduldig darauf, dass das Zeichen für die Jockeys erklang, sich auf die Pferde schwingen zu dürfen. Ihre Augen blieben dabei aber die ganze Zeit auf dem Fuchshengst, der nun etwas nervös mit dem Kopf zu schlagen begann, offensichtlich dauerte im die Tour im Führring einfach zu lange. Endlich war es so weit. Die junge Frau, die den Hengst an der Führleine hatte, hatte wohl nun auch schon ihre liebe Not mit ihm. Denn langsam neben ihr her gehen, fand er nun gar nicht mehr gut. Dennoch begrüßte sie Sabi freundlich und gab Live for the King eine leichte Parade am Führzügel.
Sabi grüßte zurück, als die junge Frau ihr helfen wollte, winkte diese lächelnd ab.
„Lass nur, ich komme so drauf. Versuch das Monster nur ein bisschen gerade zu halten.“, gesagt getan. Sabi fasste schnell an den Übergurt aus Gummi, um zu überprüfen ob er fest saß. Zufrieden drückte sie sich am Boden ab und fand sich nur wenige Sekunden später auf dem Rücken des Fuchses wieder. Gleich machte sie sich daran die Bügel zu prüfen, ließ ihre Beine aber noch einen Moment an dem Pferd herunter baumeln und sortierte die Zügel. In deren Ende machte sie einen großen Knoten, damit diese sie nachher nicht stören konnten. Kurz vor dem Geläuf nahm Sabi nun die Bügel auf. Die junge Frau, die das Pferd am Zügel hatte sah zu Sabi hin.
„Kann ich los lassen?!“
Sabi nickte und stellte sich in die Bügel als sie den Hengst unter sich abspringen ließ.
„Hals und Bein“, hörte sie es noch hinter sich. Dann konzentrierte sie sich voll und ganz auf das Pferd unter sich. Der Fuchs versuchte schon jetzt Gas zu geben und Sabi spürte, dass er immer schneller zu werden versuchte. Immer mal wieder zog er leicht das Tempo an und fragte so nach. Doch eine Parade am Zügel brachte den Fuchs immer wieder zu Räson und sollte ihm ins Gedächtnis rufen, wer hier das Sagen hatte. Das war ganz gewiss nicht seine Wenigkeit.
Kurz nach der Startstelle parierte sie King langsam durch und ritt mit ihm im Schritt zurück zur Startstellte. Der Fuchs schnaubte kurz zufrieden und nun wagte es Sabi, den Zügel in eine Hand zu nehmen und ihm kurz für einen Moment den Hals zu klopfen.
„So ist es brav, Dicker. Immer mit der Ruhe.“, doch von Ruhe war bei dem Hengst nicht viel zu merken, denn er begann erneut zu trippeln und auch mal mit dem Kopf zu schlagen.
„Jetzt krieg dich mal wieder ein, mein Freund. Es ist alles in Ordnung.“
Auch im Kreis vor der Startbox trippelte der Hengst nur so vor sich hin und beäugte die anderen Pferde eher ein wenig skeptisch und in diesem Moment fühlte sich Sabi gar nicht mehr so wohl auf seinem Rücken, irgendwie machte es ihr ein wenig Sorge, dass sich King so gar nicht abreagieren wollte. Viele Pferde waren vorher die Ruhe selber und wurden dann vor der Box nervös. Andere wiederum waren zuerst etwas hibbelig, wenn es dann aber an den Startging und sich die Tiere am Ziel sahen, waren die meisten doch eher ruhig und zufrieden. Langsam und behutsam atmete Sabi tief ein und aus. Noch einmal strich sie dem Fuchs langsam über den Hals um ihn ein wenig zu beruhigen. Irgendwo sagte jemand was. War es einer der anderen Reiter gewesen? Manche hielten jetzt noch einen kurzen Plausch. Andere wiederum schienen ganz und gar in voller Konzentration bei dem Rennen zu sein, wie auch Sabi selber. Ob jemand was zu ihr gesagt hatte, wusste sie nicht. Aber es interessierte sie in dem Moment auch nicht. Noch einmal dachte sie an die Order, die ihr Ramon gegeben hatte. Ein Pferd nach dem anderen rückte nun langsam in seine Startbox ein. Das braune Pferd, das vor ihr einrückte machte allerdings ein mächtiges Theater und wirkte so als würde er gar nicht in die Startbox hinein wollen. Alle Versuche das Pferd doch dazu zu bewegen sich hinein zu bewegen, brachten nichts. Bis schließlich die Kapuze zum Einsatz kam und das Tier sozusagen im letzten Versuch in der Startbox verschwand und als die Klappen hinter dem Pferd geschlossen worden waren, zog der Jockey dem Tier die Kapuze herunter. Diese flog aus dem Inneren der Startbox hinaus und einer der Starthelfer machte sich daran, sie schnell aufzuheben, damit der Betrieb weiter gehen konnte. Ehe sich Sabi versah, waren sie und ihr roter Kollege dran. Der beim ersten Versuch ihn in die enge Gasse der Startbox zu schieben, auch einen leichten Sprung zur Seite machte, sie aber anschließend doch in die Box hinein schieben ließ. Live for the King würden nun noch zwei Pferde folgen, dann war es endlich geschafft und das Rennen würde gestartet. Noch einmal zog die junge Frau die Zügel in ihren Händen nach, fest hatte sie diese nun in ihren Händen. Als es auch schon los ging und die Türen der Startboxen sich mit einem klauten Geräusch öffneten.
Der Fuchs erwischte einen eigentlich guten Start.
Lass ihn vorn gehen. Meinetwegen auch als zweites oder drittes Pferd, aber nicht weiter hinten. Am besten er gibt das Tempo vor.
So hallte es kurz in Sabis Kopf und sie trieb den Hengst an um sich an die Spitze des Feldes zu setzen, dort ließ sie den Fuchs in einem eher mäßigen Tempo gehen. Neben ihm, auf Höhe seiner Kruppe galoppierte Prisoner of Love mit Andreas Stark im Sattel. Dieser ließ seinem Pferd aber auch eher die Ruhe und ließ ihn ruhig hinter dem Fuchs her galoppieren. Allerdings ließ er sich die ganze Zeit die Chance angreifen zu können. Das bekam die junge Amazone auf dem Fuchshengst auch gleich zu spüren. Denn sogleich als es in den Schlussbogen ging, gab Andreas dem Braunen etwas mehr Zügel und zeigte ihm die Peitsche. Dieser legte gleich enorm an Tempo zu und King fühlte sich auf einmal unter Sabi sehr komisch an. Sie hatte das Gefühl, dass er nun geschlagen war, er all seine Kraft bereits verbraucht hatte. Denn das Zeigen der Peitsche zeigte bei ihm eher keine Reaktion und er fiel auf der Innenbahn etwas zurück. Ein Gefühl der Resignation machte sich in Sabi breit, irgendwie hatte sie gehofft doch mehr zu erreichen, als jetzt wohl letzte zu werden. Dennoch zeigte sie dem Pferd die Peitsche nochmal, ehe sie anschließend zum Einsatz kam. Dieser Einsatz hatte für den Fuchs wohl ein Zeichen gesetzt, denn urplötzlich ging ein Ruck durch den Pferdekörper, gerade als ihn ein weiteres Pferd überholen wollte, legte er den Ohren an und schob sich an den Rails nach vorn. Sabi ließ den Hengst nun laufen. Setzte sich aber tief in den Sattel und brachte ihn durch ein weiteres Berühren mit der Peitsche noch einmal dazu, sein Tempo zu steigern. Wie es dazu gekommen war, konnte sie selber nicht genau sagen, doch es musste zwischen ihrem Fuchs und dem Braunen neben ihr doch sehr knapp gewesen sein. Ein wenig ärgerte sie sich über sich selber. Denn sie konnte sich nicht wirklich erklären, wieso der Hengst das Laufen auf einmal sein gelassen hatte und plötzlich zurück gefallen war, sie hatte nichts anders gemacht, als sonst auch.
Vielleicht hätte sie schon früher anfangen sollen, das Finish zu reiten. Der Braune schien den Fuchs etwas irritiert zu haben. Oder hatte sie irgendwie falsch gesessen, dass sie das Pferd unter sich behindert hatte?! Egal welchen Platz der Hengst belegt haben mochte, sie war zufrieden mit ihm. So ließ sie ihn ausgaloppieren, ließ ihm einen etwas längeren Zügel und klopfte ihm den Hals.
„Das hast du gut gemacht, King. Siehst du, ging doch.“, erneut strich sie über den schweißnassen Hals des Hengstes und ließ ihn in einem leichten Kanter zurück an den Start galoppieren, wo sie die junge Frau, die sie auch eben schon auf die Bahn entlassen hatte, wieder in Empfang nahm und Sabi beglückwünschte. Auch wenn das Ergebnis noch nicht fest stand. Gerade als sie auf dem Weg zurück waren, damit Sabi absitzen, ihren Sattel vom Pferd abnehmen und sich zurückwiegen lassen konnte, wurde das Ergebnis bekannt gegeben. Aus den vielen Lautsprechern auf der Rennbahn erklang nun das Ergebnis. Sabi klimperte zwei Mal mit den Augen, denn sie konnte nicht glauben, was sie gerade gehört hatte und fragte sich ob ihr Englisch wohl eingerostet war. Doch als das junge Mädel neben ihr sie beglückwünschte, musste Sabi breit grinsen und klopfte dem Hengst den Hals.
„Gut gemacht, mein Guter. Das hast du wirklich gut gemacht, bin stolz auf dich.“, mit diesen Worten schwang sich die junge Frau aus dem Sattel und öffnete den Gummiübergurt, dann zog sie den Sattel mitsamt des Übergurtes vom Rücken des Pferdes und klopfte ihm noch einmal den Hals um danach ins Waagegebäude zu eilen. Danach musste sie wieder nach draußen um sich mit dem Besitzer des Hengstes ablichten zu lassen. Rudolf Reimer war mit seiner Frau höchst selbst nach Dubai gereist um dem Racing Carnival beizuwohnen.
Doch bis in das Gebäude hinein kam sie erst gar nicht, denn einer der Reporter hielt sie auf, sie sollte sich neben den Hengst stellen, mit dem Sattel über dem Arm. Er zog und schubste noch etwas an ihr herum, was den Leuten aber eher ein empörtes Schnauben des Fuchses einbrachte. Denn er fand es wohl nicht so gut, dass jemand versuchte ihm eine andere Position aufzudrücken, die er selber nicht haben wollte.
Nach dem Foto eilte Sabi endlich um sich erneut wiegen zu lassen.
Das Gewicht der jungen Frau stimmte, also konnte sie von der Waage herabsteigen und erneut aus dem Waagegebäude heraus gehen. Vor dem Gebäude hatten sich erneut die Reporter mit ihren ganzen Kameras versammelt um ein Bild nach dem anderen zu schießen. Denn auch der Besitzer des Fuchses Rudolf Reimer war inzwischen eingetroffen und hatte sich mehrfach mit Live for the King ablichten lassen (müssen). Sabi wurde in die Mitte genommen. Die Ehrenpreise wurden erreicht und natürlich erneut Fotos gemacht. Das Pferd musste, natürlich, auch mit aufs Bild und immer mal wieder zuckte ein Blitz vor der Nase der jungen Frau und es schien kein Ende zu nehmen. Endlich nahm das Blitzgewitter ab und erlosch schließlich ganz. Sabi sah in den Himmel und dankte Gott dafür. Sie war nicht der Mensch, der sich gerne auf Fotos sah oder ablichten ließ. Aber es war heute wohl nicht zu vermeiden gewesen. Sie gab Herrn Reimer und dessen Frau die Hand, verabschiedete sich nach einem kurzen Gespräch und machte sich dann auf den Weg um sich umzuziehen. Ihres war das dritte Rennen des Tages gewesen, da sie erst morgen zurück fliegen würde, konnte sie sich den Rest des Renntages auf der Rennbahn in Dubai noch anschauen.
Zwar lief an diesem Tag kein Pferd von Ramon mehr, aber das Gruppe Rennen würde sicher noch einmal interessant werden. Irgendwie war es auch mal schön, nur einfach zu zusehen, wie ihre Kollegen Rennen bestritten und nicht selber im Sattel zu sitzen. Wobei sie zugeben musste, dass sie das auch nicht missen wollte. Die Sonne wärmte sie, als sie an den Rails stand und wartete, dass das Rennen der Gruppe III gestartet wurde. Gleich zwei Iffezheimer Pferde waren hier am Start. Der Hengst aus dem Rennstall von Markus Reuther sah gut aus und wurde auch gewettet, stand aber nicht als Favorit am Toto. Dennoch drückte Sabi einem der beiden Pferde die Daumen, dabei war es ihr egal ob es Fantaisie Terrestre war oder der von Sprengel aufgestellte Alley Cat. Der den etwas speziellen Reiter Callum Doyle an Bord hatte. Dieses Rennen ging über 1200m. Das Pferd von Andreas Stark erwischte keinen guten Start, auch wenn er lieber hinten galoppierte, war er viel zu spät abgesprungen. Dafür landete er aber noch auf dem zweiten Platz. Eigentlich konnte man nach einem miserablen Rennstart, mit diesem Ergebnis zufrieden sein, aber der Jockey ärgerte sich, das konnte man ihm ganz genau im Gesicht ablesen. Sabi hatte den jungen Mann schon häufiger gesehen, ihn erlebt. An sich ging er gut mit den Tieren um, aber wenn er ein Rennen, auf gut deutsch gesagt, verkackt hatte, dann sprach man ihn besser nicht darauf an.
Jessica Reuther hatte den Hengst am Führzügel und führte ihn ein paar Runden, sie musste warten, bis sie den Hengst abspritzen konnte, denn vor ihr waren noch zwei andere Pferde dran, als sie Sabi erblickte. Jessy winkte Sabi freundlich zu und lächelte kurz. Nachdem Jessy nun auch den Hengst abgeduscht hatte und ihn zu seiner Box zurück brachte, hatte Sabi beschlossen, ihre Freundin zu begleiten, das letzte Rennen musste sie sich nicht unbedingt noch anschauen.
Andreas war gleich in verschwunden und hatte mit Jessy kein Wort mehr geredet.
Sabi sagte kein Wort, bis ihre Freundin das Wort ergriff.
„Andreas war ganz schön sauer. Er meint das sei alles seine Schuld gewesen, er habe am Start gepennt und das Tier nicht rechtzeitig abspringen lassen. Ich meine er macht sich zu viele Gedanken. Jeder hat einmal einen schlechten Tag.“
Sabi schmunzelte, aber sie konnte den jungen Mann verstehen. Denn sie war selber manchmal zu kritisch mit sich selber und eigentlich war das ja auch nicht falsch. Lieber einmal zu viel über sich selber nachgedacht als zu meinen, dass man perfekt sei. Denn wenn man nur häufig genug über sich nachdachte, dann stellte man fest, dass man durchaus nicht perfekt war. Sondern noch meilenweit davon entfernt zu sein schien.
„Nimm ihm das nicht so übel, du kennst ihn doch und mein Mann war, als er noch Rennen geritten ist, nicht anders. Er hatte meist auch schlechte Laune, wenn er ein Rennen mal vergeigt hatte. Und morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Da bin ich mir sicher.“
Jessy schmunzelte.
„Sabi, du bist zu gut für diese Welt.“
„Nein, das nicht nur ich kenne die Problematik“, Sabi schmunzelte und legte Jessy kurz die Hand auf den Unterarm, so half die junge Frau ihrer Freundin noch den Hengst zu versorgen, der auf der gleichen Stallgasse stand wie die Pferde von Ramon. So nutzte Sabi die Gelegenheit noch einmal bei King in die Box hinein zu sehen und das Futter für später bereit zu machen. Von Jamal war nichts zu sehen, so beschloss Sabi sich selber darum zu kümmern, den Pferden das Futter in die Tröge zu schütten und die Boxen noch einmal nachzumisten. Damit fertig, stellte sich Sabi an die Box des Fuchses und sah noch einmal zu ihm hinein. Wenn er nicht noch einmal ein Rennen lief, würde es für ihn sicher bald wieder nach Hause gehen. Kurz gähnte sie und sah dann auf die Uhr. Eigentlich war es noch zu früh um schlafen zu gehen, doch was sollte sie jetzt noch machen? Groß zu feiern, hatte sie eigentlich keine Lust. Vielmehr war sie müde. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass ihr die Augen gleich zu fielen. Dennoch war es zu früh zum schlafen gehen. Trotzdem würde die junge Frau nun den Weg zum Hotel einschlagen und wenn sie sich nur hinlegte um den Tag Revue passieren zu lassen…
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