4 - "Bitte sag mir, dass das nicht dein Ernst ist" |
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Ums vorweg zu nehmen: Das Ende ist etwas abgehackt, hab aber gerade zu viel im Kopf, ums besser zu machen.
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„Denk nicht mal annähernd dran!“ fauchte ich den mies gelaunten Rappen an meiner Seite an, als dieser die Ohren anlegte und so ganz nebenbei seine Zähne in meinem Unterarm versenken wollte.
Ein kurzer Ruck am Strick bewies ihm scheinbar endgültig, dass ich es bitterernst meinte und so sah Gentle Giant von seinem Vorhaben seinen Unmut an mir auszulassen vorerst wieder ab, während wir energischen Schrittes im Führring unsere Runden drehten.
Seit Willi den schwarzen Hengst gesattelt hatte und dabei taktisch klug seinen stampfenden Hufen ausgewichen war schien sich dessen Laune um Welten verschlechtert zu haben und er wirkte beinahe ebenso begeistert, wie sein Reiter, der nun zielstrebig auf mich zugestampft kam.
Erneut pressten sich die Ohren des Vollblutes an dessen Hals, als ich den linken Zügel ergriff und Callum mit sparsamen Bewegungen vom Trainer in den Sattel geworfen wurde.
„Du sollst dich benehmen!“ zischte ich Giant zu, der beim Anführen einen Satz zur Seite machte und mich mit sich riss.
„Federgewicht, halt den Gaul ruhig!“ kam die geknurrte Anweisung von oben und ich knirschte entnervt mit den Zähnen.
Vielleicht sollte ich Callum einfach selbst vom Pferd schubsen? Für einen kurzen Moment schob sich dieses Bild vor mein inneres Auge und ließ mich schmunzeln, bevor ich mich auch schon wieder zusammenriss. Die Vermutung, dass der Trainer von so einem Verhalten wenig begeistert wäre traf mit hoher Wahrscheinlichkeit genau ins Schwarze und würde mir mit Sicherheit nur noch mehr unliebsame Zusammenarbeit mit meinem Lieblingskollegen einbringen.
Da ich darauf nun wirklich verzichten konnte konzentrierte ich mich einfach darauf den schwarzen Vollblüter irgendwie dazu zu bringen sich zumindest halbwegs ordentlich zu benehmen und atmete erleichtert auf, als endlich alle Reiter auf ihren Pferden angekommen waren und wir uns auf den Weg zur Bahn machen konnten.
Natürlich lief dieser nicht ab, ohne dass Gentle Giant mir zweimal mit voller Absicht den rechten Fuß zerquetscht hatte, sodass ich wirklich froh war am Geläuf angekommen zu sein.
„Hals und Bein!“
Mit diesem Jockeygruß hakte ich auf Callums Nicken die Führleine aus dem Gebiss aus und entledigte mich endlich des unerträglichen Rappens.
Beim Aufgalopp drückte dieser zwar noch stark gegen die Hand, kämpfte mit seinem Reiter, doch schien seine schlechte Laune sich mit dem Einrücken in die Maschine ein wenig zu legen.
Routiniert marschierte er in seine Startbox und wartete mit den anderen angespannt auf das Aufspringen der Klappen.
Heute war jedoch einfach nicht Giants Tag – schon beim Abspringen wurde deutlich, dass er mit der Gesamtsituation unzufrieden war und sich gegen die Reiterhand sträubte.
Dennoch hielt Callum ihn so gut es denn dann ging im Mittelfeld, das der Rappe schlussendlich auch nicht mehr verließ und als siebter über die Ziellinie galoppierte.
Erneut waren die Gesichter von Ross und Reiter sich recht ähnlich, als ich den Haken des Strickes wieder in das Gebiss schnappen ließ, um den Hengst zurück zu den Ställen zu bringen: Beide wirkten alles andere als zufrieden und glücklich, der eine vermutlich über die Leistung des „Gauls“ und der andere vermutlich mit dem Reiter auf seinem Rücken.
Callum ließ sich aus dem Sattel gleiten, sobald er den Trainer entdeckte, der mit missmutigem Gesichtsausdruck auf uns zugestampft kam. Stampfen war wirklich die einzig treffende Beschreibung für Willis Gang, der dessen Unzufriedenheit schon zur Gänze ausdrückte.
„Lucy, Giant versorgen und Kram zusammenpacken. Abflug!“
Mit dieser Anweisung kam auch ich in den Genuss seines unverwechselbaren Charmes, den er jedes Mal versprühte, wenn einer von uns einen weniger guten Renntag abgeliefert hatte und so nickte ich nur kurz und beeilte mich mit dem pustenden Hengst an der Hand zu den Ställen zu entschwinden, bevor das Donnerwetter für Callum losging.
Das Gesicht des letztgenannten sprach Bände, als er in die Stallgasse gestampft kam, kaum dass ich Giant für den Transport fertig gemacht hatte.
„Warum ist der Gaul noch nicht auf dem Hänger?“
Zähneknirschend verbiss ich mir das ‚Warum hab ich dir noch nicht den Hals umgedreht?‘ im letzten Moment und setzte stattdessen ein strahlendes Lächeln auf, bevor ich ihm mit „Wir sind schon fast weg!“ antwortete und mich beeilte mit dem Rappen das Stallgebäude zum Hänger zu verlassen.
Unruhig schnaubte der Hengst ab, als er die hölzerne Laderampe neben mir hochkletterte und ich seinen Strick im Anbindering verknotete.
Sanft strich ich über das pechschwarze Fell an seinem Hals und wich dabei geschickt den zuschnappenden Zähnen aus, bevor ich aus dem Hänger kletterte.
„Liam, Lucy, ihr fahrt mit Callum, Elke und Nora mit mir mit dem Hänger!“
Die dröhnende Stimme unseres Trainers ließ mich nicht weniger zusammenzucken, als seine Worte und ich konnte mich nur knapp davon abhalten die Augen genervt zu verdrehen.
Stattdessen folgte ich gehorsam, wenn auch recht wenig begeistert, unserem ersten Stalljockey zu seinem übermäßig protzig tiefer gelegten Gefährt, bei dem ich mich immer wieder wunderte, wie zum Henker man damit auch nur eine einzige Bodenwelle überwinden konnte.
Mir blieb die Wahl zwischen einem Platz neben Liam, der es sich gerade auf der viel zu engen Rückbank „gemütlich“ machte und dem Beifahrersitz, sodass ich mich gerade müde auf letzteren fallen lassen wollte, als mir die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde und Callum mich wütend anfunkelte.
„Wenn du denkst, dass du mit den dreckigen Schuhen in mein Auto kommst hast du dich aber geschnitten!“ fauchte seine wieder einmal höchst nasale Stimme mir ins Ohr und ich warf einen irritierten Blick auf meine Turnschuhe, die vielleicht nicht absolut sauber, aber bei Weitem nicht so verdreckt waren, wie der Herr es mir weismachen wollte.
„Natürlich kommen in dein Auto niemals dreckige Schuhe, du arbeitest ja auch eher weniger!“ grummelte ich so nur vor mich hin, während ich aus meinen Turnschuhen schlüpfte und mich dann mit diesen in der Hand auf den Beifahrersitz verkrümelte.
„Was denkst du denn, wozu du eingestellt worden bist?“ kam es von der Seite zurück und ich war einen ganz kurzen Moment versucht ins Amaturenbrett zu beißen oder mit meinem bestrumpften Fuß zu versuchen das Seitenfenster einzutreten.
„Bestimmt nicht, um dir deinen Dreck hinterherzuräumen!“ gab ich kühl zurück und starrte wütend in das hochnäsig verzogene Gesicht unseres Fahrers.
Ein silbernes, herumbaumelndes Ding am Rückspiegel zog meine Aufmerksamkeit auf sich und ich versuchte die zur allgemeinen Stimmung absolut unpassende Heiterkeit niederzukämpfen, während ich mit der linken Hand den Anhänger umfasste und ihn in Callums Richtung drehte.
„Bitte sag mir, dass das nicht dein Ernst ist!“ fasste ich meine verworrenen Gedankengänge zusammen und deutete auf den silbernen Playboy-Hasen auf meiner Handfläche.
Eine Spur zu hastig schob der junge Mann seine Exfreundin vor, die den Anhänger in seinem Auto vergessen haben musste, sodass ich schlussendlich doch noch in lautes Gelächter ausbrach.
Dieses als Husten zu tarnen wäre nutzlos gewesen, da selbst ein hirnloses Wesen wie Callum einen solchen Schachzug durchschaut hätte und so verbrachte ich die Rückfahrt zurück nach Hause zufrieden in dem eisigen Schweigen mit dem ich gestraft wurde.
Mit einem kleinen Lächeln glitt ich aus dem Auto, nachdem ich wieder in meine Stallschuhe geschlüpft war, unterdrückte den Drang Callums Rücken die Zunge herauszustrecken, während dieser vor mir her stampfte.
Musste der Kerl eigentlich immer stampfen und konnte nie normal gehen?
So in Gedanken versunken konnte ich gerade noch verhindern Alan inklusive Pferd und Chiara-Anhang zu rammen, indem ich einen hektischen Schritt zurückmachte.
„Wo hast du nur immer deine Augen?“
Im Gegensatz zu Callums Gekeife war Alans Stimme beinahe sanft, als er die Hand ausstreckte, um mich abzustützen, damit ich nicht doch noch das Gleichgewicht verlor.
„Offensichtlich nicht da, wo sie hinläuft!“
Der leise Kommentar von Chiara ließ mich aufhorchen und ich warf der jungen Frau einen kurzen fragenden Blick zu, bevor ich beschloss die aufkeimende Feindseligkeit zu ignorieren und sie beinahe freundlich anzulächeln.
„So macht man immerhin die besten Bekanntschaften!“ gab ich so nur betont freundlich zurück und zwinkerte Alan zu, der mir den Gefallen tat und zurückblinzelte.
„Seid ihr heute Abend dabei?“ fügte ich dem hinzu, war allerdings schon wieder auf dem Weg weiter, weil Willi an der Stalltür wartete.
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